(Der folgende Text erschien ursprünglich auf “The Intercept” und wurde von Jenna McLaughlin und Dan Froomkin geschrieben. acTVism Munich hat diesen Text sinngemäß ins Deutsche übertragen.)
“„The Guardian” veröffentlichte am Sonntag, 22. Mai, ein verblüffendes neues Kapitel in der Saga von NSA-Whistleblowern und offenbarte damit eine neue Schlüsselfigur: John Crane, ehemals stellvertretender Generalinspekteur im Pentagon, der für den Schutz von Whistleblowern zuständig war. Als er darin scheiterte, sah er sich gezwungen, selbst einer zu werden.
Ein Artikel von Mark Hertsgaard (adaptiert von seinem Buch „Bravehearts: Whistle Blowing in the Age of Snowden“) beschreibt wie der ehemalige NSA-Beamte Thomas Drake versuchte, auf vorschriftsmäßigem Weg die Verstöße der NSA gegen die Freiheitsrechte der Bürger aufzudecken. Und wie er dafür bestraft wurde. Der Artikel rechtfertigt Aktivisten, die für eine transparente Politik eintreten und schon lange argumentieren, dass der Schutz für Whistleblower aus dem Bereich der nationalen Sicherheit nicht ausreicht.
Er rechtfertigt auch Edward Snowden, dem nicht entging was Drake widerfuhr: Der Whistleblower gab seine Versuche, den traditionellen Routen zu folgen, auf und übergab seinen Fund an Geheimdokumenten direkt den Journalisten.
Und er stärkt die Verteidigung Drakes, der im Pantheon der Whistleblower bereits ein Held ist, weil er eine vierjährige Strafverfolgung durch das US-Justizministerium erdulden musste. Eine Verfolgung, die von einem Richter als „skrupellos“ bezeichnet wurde.
Drake wurde zunächst in 10 Fällen der Spionageverbrechen beschuldigt – Fälle, die sich vor dem Verfahren bekanntermaßen in Luft auflösten. Professionell und finanziell war er dennoch ruiniert. Nun stellt sich heraus, dass vielleicht gerade der Weg über offizielle Routen die Kette an Ereignissen ausgelöst hat, die zu seiner Verfolgung führte.
Drake wandte sich mit seinen Bedenken über verschwenderische, illegale und verfassungswidrige Handlungen der NSA zunächst an hochrangige NSA-Beamte, dann an zuständige Mitarbeiter und Mitglieder des US-Kongresses. Als das nichts brachte, unterzeichnete er eine Beschwerde an den Generalinspekteur des Pentagon mit, die von einigen kürzlich pensionierten NSA-Mitarbeitern eingereicht wurde. Da er jedoch noch immer für die NSA arbeitete, bat er die Abteilung darum, seine Beteiligung anonym zu halten.
Wie Hertsgaard schreibt behauptet Crane, dass seine ehemaligen Bürokollegen bei der Generalinspektion dem Justizministerium Drakes Identität verraten hätten; dass sie nach Drakes Anklage Beweise zurückgehalten (oder vielleicht zerstört) und schließlich einen Bundesrichter diesbezüglich angelogen hätten.
Cranes wachsende Vorbehalte gegen die Arbeitsweise seiner Abteilung trieben ihn laut Hertsgaard an den Rand der Verzweiflung. Doch seine Vorgesetzten ignorierten seine Bedenken, bedachten ihn mit Schweigen und zwangen ihn schließlich dazu, im Januar 2013 zu kündigen.
Dank Cranes anhaltender Bemühungen leitete das Justizministerium dennoch eine Untersuchung des Verteidigungsministeriums ein, um zu prüfen, wie es Whistleblower behandelt. Hertsgaard sagte gegenüber „The Intercept”, dass ein öffentlicher Bericht zu den Untersuchungsergebnissen nächstes Jahr erwartet wird.„
Crane liefert beispiellose Beweise aus dem Innern eines Systems, das Whistleblower angeblich beschützen soll, aber nicht funktioniert. Leute, die das System verteidigen, können ihm nicht vorwerfen, fremde Absichten zu haben. Crane hat nie für oder gegen die NSA-Programme Position bezogen oder während der Untersuchung mit Drake Kontakt gehabt.
„Crane legte gewissermaßen Wert darauf, nicht bekannt zu sein“, so Hertsgaard gegenüber „The Intercept“. „Er wollte nicht, dass es persönlich wird.“
Für ihn ginge es um das Aufdecken von Missständen sowie das Prinzip, dass „Anonymität absolut heilig sein muss“, erklärte Hertsgaard
Snowden sagte im „Guardian”, dass Drakes Strafverfolgung eine große Rolle spielte, als er sich dazu entschied, den gängigen Weg zu verlassen. Er sagte dem „Guardian“ außerdem, dass er von Kollegen und Vorgesetzten davor gewarnt wurde, seine Bedenken zu äußern. Sie sagten, er spiele mit dem Feuer. In diesem „Guardian“-Interview verlangt Snowden Veränderungen.
„Wir benötigen unverwüstlichen, durchsetzbaren Schutz für Whistleblower, und wir benötigen ein öffentliches Archiv erfolgreicher Beispiele“, sagte er. „Schützt die Menschen, die sich an Kongressmitglieder mit einer Aufsichtsfunktion wenden. Und wenn ihre Bemühungen zu positiven Veränderungen in der Politik führen, zeichnet sie für ihre Bemühungen aus. Es gibt aktuell keinen Anreiz für Menschen, sich auf der falschen Seite des Gesetzes gegen eine Agentur zu erheben und das muss sich ändern.“
US-Beamte, darunter Präsident Barack Obama und die demokratische Spitzenkandidatin Hillary Clinton beharren darauf, dass Snowden Optionen gehabt hätte und auch hätte nutzen sollen – und dass man ihm zugehört hätte.
„Wenn die Leute Edward Snowden ansehen, ist er der berühmteste“, so Hertsgaard bei „The Intercept“. „Was sie nicht realisieren ist wie außergewöhnlich er doch ist. Er hat es tatsächlich geschafft, seine Botschaft zu verbreiten und lange genug zu leben, um die Geschichte zu erzählen. … Das ist höchst ungewöhnlich. In den meisten Fällen bezahlen Whistleblower mit dem Leben, um unseres zu schützen.“
In seinem Buch schreibt Hertsgaard über viele weitere Whistleblower, deren Geschichten weniger dramatisch, aber nicht weniger wichtig sind. „Ich hoffe, die Kampagnen-Reporter setzen Hillary Clinton und Bernie Sanders und Donald Trump diesbezüglich unter Druck“, sagte er.”
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acTVism Munich fährt nach Berlin zu einem Event von WikiLeaks-Gründer Julian Assange. Bei diesem Event wird die Bedeutung von Whistleblower und investigativen Journalisten beleuchtet. acTVism Munich wird eine Reportage veröffentlichen mit Interviews mit Sarah Harrison (Anwältin von WikiLeaks), Jacob Appelbaum (Gründer von Tor), Hans Christian Ströbele (Politiker), PJ Harvey (Musiker) und Angela Richter (Theaterregisseurin). Dieser Event wird zeitgleich in New York, Sydney, Neapel, Quito, London und Genf stattfinden und wird online übertragen.
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