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Chomsky: Der Mangel an Beatmungsgeräten entlarvt die Grausamkeit des neoliberalen Kapitalismus

11. April 2020

Chomsky: Der Mangel an Beatmungsgeräten entlarvt die Grausamkeit des neoliberalen Kapitalismus


Dieses Interview erschien ursprünglich auf Truthout am 1. April 2020.  acTVism Munich hat es in die deutsche Sprache übersetzt, um mehr Menschen über dieses Thema zu informieren.


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COVID-19 hat die Welt im Sturm erobert. Hunderttausende sind infiziert (möglicherweise ist die Dunkelziffer viel höher), die Anzahl der Todesfälle steigt exponentiell und die kapitalistischen Volkswirtschaften sind zum Stillstand gekommen, sodass eine globale Rezession nun nahezu unvermeidlich ist.

Die Pandemie ist lange vor ihrem Auftreten bereits vorhergesagt worden. Doch Maßnahmen zur Vorbereitung auf eine solche Krise wurden durch die grausamen Imperative einer Wirtschaftsordnung verhindert, in der “es keinen Gewinn bringt, eine zukünftige Katastrophe zu verhindern”, wie Noam Chomsky in diesem Exklusivinterview für Truthout betont. Chomsky ist emeritierter Professor für Linguistik am MIT und Laureatsprofessor an der University of Arizona, Autor von mehr als 120 Büchern und Tausenden von Artikeln und Essays. In dem folgenden Interview erörtert er den Zusammenhang des neoliberalen Kapitalismus mit der missratenen Reaktion der USA auf diese Pandemie.

C.J. Polychroniou (CJP): Noam, das neue Coronavirus hat sich weltweit verbreitet, wobei die Vereinigten Staaten inzwischen mehr Fälle verzeichnen als jedes andere Land, einschließlich China, dem Ursprungsland des Virus. Sind das überraschende Entwicklungen?

Noam Chomsky (NC): Das Ausmaß der Seuche ist überraschend und schockierend, aber nicht ihr Auftreten. Auch nicht die Tatsache, dass die USA bei der Reaktion auf die Krise die schlechteste Bilanz aufweisen.

Wissenschaftler warnen seit Jahren vor einer Pandemie, und zwar seit der SARS-Epidemie von 2003, die ebenfalls durch ein Coronavirus verursacht wurde. Für dieses wurde zwar ein Impfstoff entwickelt, der es aber nicht über das präklinische Niveau hinausgeschafft hat. Damals wäre der Zeitpunkt gewesen, um vorbereitend Schnellreaktionssysteme für den Fall eines pandemischen Ausbruchs zu entwickeln und die erforderlichen Reservekapazitäten zu schaffen. Es hätten auch Initiativen ergriffen werden können, um Abwehrmechanismen und Behandlungsmethoden für ein wahrscheinliches Wiederauftreten eines verwandten Virus zu entwickeln.

Aber wissenschaftliches Verständnis reicht nicht aus. Es muss auch in die Praxis umgesetzt werden. Diese Option wurde durch die Pathologie der heutigen sozioökonomischen Ordnung verhindert. Die Marktsignale waren klar: Es bringt keinen Gewinn, eine zukünftige Katastrophe zu verhindern. Die Regierung hätte eingreifen können. Das aber scheint durch die herrschende Doktrin ausgeschlossen: “Die Regierung ist das Problem”, sagte uns Reagan mit seinem sonnigen Lächeln, und meinte damit, dass Entscheidungsfindung noch stärken der Wirtschaftswelt überlassen werden sollte, die sich dem privaten Profit verschrieben hat und die sich nicht durch jene beeinflussen lässt, die sich um das Gemeinwohl sorgen. In den folgenden Jahren wurden der unbeschränkte Kapitalismus und die durch ihn verworrenen Märkte noch durch eine Prise neoliberale Brutalität gewürzt.

Die Dimension der Pathologie zeigt sich deutlich an einem der dramatischsten und mörderischsten Fehler: dem Mangel an Beatmungsgeräten, der einer der größten Engpässe bei der Bekämpfung der Pandemie ist. Das Gesundheitsministerium sah das Problem voraus und beauftragte eine kleine Firma mit der Herstellung kostengünstiger, einfach zu bedienender Beatmungsgeräte. Doch dann griff die kapitalistische Logik ein. Die Firma wurde von einem großen Unternehmen, Covidien, gekauft, das das Projekt auf Eis legte und: “Im Jahr 2014, als noch keine Beatmungsgeräte an die Regierung geliefert worden waren, sagten die Führungskräfte von Covidien den Beamten der [Bundes-]Behörde für biomedizinische Forschung, dass sie aus dem Vertrag aussteigen wollten, so drei ehemalige Bundesbeamte. Die Führungskräfte beklagten, dass es für das Unternehmen nicht ausreichend rentabel sei.”

Zweifellos zutreffend.

Dann diktierte die neoliberale Logik, dass die Regierung nicht handeln könne, um das grobe Marktversagen zu überwinden, das jetzt diese Verwüstung anrichtet. Die New York Times drückte es vorsichtig aus: “Die zaghaften Bemühungen neue, billigere, und leichter herstellbare Beatmungsgeräte zu schaffen, machen die Gefahren deutlich, die die Auslagerung von Projekten mit kritischen Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit an private Unternehmen mit sich bringt; ihr Fokus auf Gewinnmaximierung ist nicht immer mit dem Ziel der Regierung vereinbar, sich auf eine zukünftige Krise vorzubereiten.”

Abgesehen von der rituellen Hochachtung der wohlwollenden Regierung und ihrer löblichen Ziele ist die Anmerkung ziemlich treffend. Der Fokus auf Gewinnmaximierung ist auch “nicht immer vereinbar”, mit der Hoffnung auf “das Überleben der Menschheit”, um den Satz eines geleakten Memos von JPMorgan Chase [der größten Bank der USA] zu übernehmen, in dem davor gewarnt wird, dass “das Überleben der Menschheit” auf unserem derzeitigen Kurs gefährdet ist, auch aufgrund der bankeigenen Investitionen in fossile Brennstoffe. Chevron hat also ein profitables nachhaltiges Energieprojekt abgesagt, weil mit der Zerstörung des Lebens auf der Erde mehr Gewinn zu erzielen ist. ExxonMobil verzichtete darauf, weil [es] ein solches Projekt gar nicht erst in Angriff genommen hatte, da es rationalere Rentabilitätsberechnungen angestellt hatte.

Und gemäß der neoliberalen Doktrin zu Recht. Die Aufgabe der Unternehmensleiter ist schließlich – nach Milton Friedman und anderen neoliberale Koryphäen – die Gewinnmaximierung. Jede Abweichung von dieser moralischen Verpflichtung würde die Grundlagen des “zivilisierten Lebens” erschüttern.

Wir werden uns von der Corona-Krise, die schwere und möglicherweise horrende Kosten verursacht, insbesondere für die Armen, wieder erholen. Aber vom Schmelzen der Polkappen und anderen verheerenden Folgen der globalen Erwärmung wird es keine Erholung geben. Auch hier resultiert die Katastrophe aus einem Marktversagen – in diesem Fall von wirklich weltbewegenden Ausmaßen.

Die derzeitige Regierung wurde umfassend vor einer wahrscheinlichen Pandemie gewarnt. Tatsächlich wurde erst im Oktober letzten Jahres eine Simulation auf hoher Ebene durchgeführt. Trump hat während seiner Amtszeit in der Art und Weise reagiert, an die wir uns gewöhnt haben: er hat jeden relevanten Teil der Regierung umfinanziert und abgebaut und die Anweisungen seiner Konzernchefs eifrig umgesetzt, um all jene Vorschriften zu beseitigen, die den Gewinn behindern und gleichzeitig Leben retten. Er hat den Wettlauf bis an den Abgrund der Umweltkatastrophe geführt sein weitaus größtes Verbrechen. In der Tat das größte Verbrechen der Geschichte, wenn man die Konsequenzen bedenkt.

Anfang Januar gab es kaum noch Zweifel an den Ereignissen. Am 31. Dezember informierte China die Weltgesundheitsorganisation (WHO) über die Ausbreitung von lungenentzündungsähnlichen Symptomen mit unbekannter Ätiologie. Am 7. Januar teilte China der WHO mit, dass Wissenschaftler die Quelle als Coronavirus identifiziert und das Genom sequenziert hätten, welches sie der wissenschaftlichen Welt zur Verfügung stellten. Den Januar und Februar über versuchte der US-Geheimdienst Trump für die Sache zu sensibilisieren, was nicht gelang. Beamte informierten die Presse, dass “sie ihn einfach nicht dazu bringen könnten, etwas dagegen zu unternehmen. Die Alarmglocken leuchteten bereits.”

Trump war jedoch nicht still. Er gab eine Reihe selbstbewusster Erklärungen ab, in denen er öffentlich bekundete, dass es nur ein Husten sei, er alles unter Kontrolle habe, er sich 10 von 10 Punkten für seinen Umgang mit der Krise gebe, es sehr ernst sei, aber er vor allen anderen gewusst habe, dass es sich um eine Pandemie handele; und der Rest der ganzen traurigen Show. Die Taktik ist geschickt gewählt, ähnlich wie die Praxis, Lügen so schnell zu verbreiten, dass das Konzept der Wahrheit verblasst. Was auch immer passiert, Trump wird sich bei seinen loyalen Anhängern mit Sicherheit rehabilitieren. Auch wenn man wahllos Pfeile abschießt, treffen einige wahrscheinlich das Ziel.

Um dies noch zu toppen veröffentlichte das Weiße Haus am 10. Februar, als das Virus sich bereits enorm verbreitet hatte, seinen jährlichen Haushaltsvorschlag. Dieser sah eine Ausdehnung der scharfen Kürzungen in allen wichtigen gesundheitsbezogenen bzw. fast allen Bereichen vor, die den Menschen nutzen und gleichzeitig eine Aufstockung der Mittel für das, was wirklich zählt: Das Militär und die Mauer.

Ein Effekt sind die im Vergleich schockierend späten und begrenzten Testmöglichkeiten. Das macht erfolgreiche Test- und Rückverfolgungsstrategien unmöglich, die in funktionierenden Gesellschaften verhindert haben, dass die Epidemie außer Kontrolle gerät. Selbst den besten Krankenhäusern fehlt es an Grundausstattung. Die USA sind aktuell das globale Epizentrum dieser Krise.

Das ist nur die Spitze des Eisberges der trumpschen Böswilligkeit, aber für mehr haben wir keine Zeit.

Es ist verlockend, Trump die Schuld für die katastrophale Reaktion auf die Krise zuzuschieben. Aber wenn wir zukünftige Katastrophen abwenden wollen, müssen wir größer denken. Trump kam ins Amt in einer kranken, von 40 Jahren Neoliberalismus (mit noch tieferen Wurzeln) geplagten Gesellschaft.

Die neoliberale Version des Kapitalismus besteht seit Reagan und Margaret Thatcher und entstand nur kurz vorher. Ich brauche die düsteren Folgen nicht im Detail zu beschreiben. Reagans Großzügigkeit den Superreichen gegenüber ist heute von direkter Relevanz, da eine weitere Rettungsaktion im Gange ist. Reagan hob das Verbot von Steueroasen und anderen Möglichkeiten der Verlagerung der Steuerlast auf die Öffentlichkeit schnell auf und genehmigte Aktienrückkäufe ein Mittel, um den Aktienwert aufzublähen und die Wirtschaftseliten und die sehr Reichen (die den größten Teil der Aktien besitzen) zu bereichern und gleichzeitig die Produktionskapazität des Unternehmens zu untergraben.

Solche politischen Veränderungen haben enorme Konsequenzen, die sich auf mehrere Billionen Dollar belaufen. Ganz allgemein wurde die Politik so konzipiert, dass sie einer winzigen Minderheit zugute kommt, während der Rest ins Trudeln gerät. So entsteht eine Gesellschaft, in der 0,1 Prozent der Bevölkerung 20 Prozent des Reichtums besitzen und die untere Hälfte ein negatives Nettovermögen hat und von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck lebt. Während die Gewinne boomten und die Gehälter der CEOs in die Höhe schossen, stagnierten die Reallöhne. Wie die Ökonomen Emmanuel Saez und Gabriel Zucman in ihrem Buch “Der Triumph der Ungerechtigkeit” aufzeigen, sind die Steuerkurven in allen Einkommensgruppen im Grunde flach, außer an der Spitze. Da sinken sie.

Das für Profit privatisierte Gesundheitssystem der USA war lange Zeit ein internationaler Skandal, mit doppelt so hohen Pro-Kopf-Ausgaben wie in anderen entwickelten Gesellschaften und einem der schlechtesten Outcomes. Die neoliberale Doktrin landete einen weiteren Vernichtungsschlag, indem sie Effizienzmaße einführte: Just-on-time-Service ohne Puffer im System. Eine Unregelmäßigkeit und das System bricht zusammen. Ähnliches gilt für die fragile Weltwirtschaftsordnung, die auf neoliberalen Prinzipien beruht.

Dies ist die Welt, die Trump geerbt hat. Diejenigen, die mit dem Wiederaufbau einer lebensfähigen Gesellschaft aus den Trümmern der anhaltenden Krise beschäftigt sind, sollten dem Ruf von Vijay Prashad folgen: “Wir werden nicht zur Normalität zurückkehren, denn die Normalität war das Problem.”

CJP: Doch selbst jetzt, wo sich das Land inmitten eines öffentlichen Gesundheitsnotstands befindet wie wir ihn seit langem nicht mehr erlebt haben, wird der amerikanischen Bevölkerung weiterhin gesagt, die allgemeine Gesundheitsversorgung sei nicht realistisch. Ist für diese eigenartige amerikanische Sichtweise auf die Gesundheitsversorgung der Neoliberalismus allein verantwortlich?

NC: Das ist eine komplizierte Geschichte. Zunächst einmal haben Umfragen für eine lange Zeit gezeigt, dass viele eine allgemeinen Gesundheitsversorgung befürworteten. In den späten Jahren der Reagan Ära waren ca. 70 Prozent der Bevölkerung der Meinung, dass eine gewährleistete Gesundheitsversorgung in der Verfassung verankert sein sollte, 40 Prozent dachten dies sei bereits der Fall  – die Verfassung als Quelle für alles was offensichtlich richtig ist. Referenda haben gezeigt, dass viele ein universelles Gesundheitssystem wollten, bis die wirtschaftliche Propagandaoffensive startete und davor warnte, dass dies eine geradezu astronomisch hohe Steuerbelastung bedeute, ähnlich wie letztens. Daraufhin sinkt das öffentliche Interesse.

Wie gewöhnlich steckt auch in dieser Propaganda ein Funken Wahrheit. Die Steuern werden steigen, die Gesamtausgaben jedoch stark sinken, wie die Bilanz bei vergleichbaren Länder zeigt. Um wie viel? Dazu gibt es ein paar vielsagende Anhaltswerte. The Lancet (U.K.), eine der weltweit führenden medizinischen Zeitschriften, hat kürzlich eine Studie veröffentlicht, in der ein universelles Gesundheitssystem in den USA „schätzungsweise Einsparungen der nationale Ausgaben für die Gesundheitsversorgung von 13% bedeuten würde; dies entspricht mehr als 450 Milliarden US-Dollar  jährlich (beruhend auf dem Wert des US $ von 2017).“ Weiterhin zeigt die Studie:

Das gesamte System könnte mit weniger finanziellem Aufwand finanziert werden, als Arbeitgeber und Haushalte für Gesundheitsprämien in Kombination mit den bestehenden staatlichen Zuweisungen aufwenden müssen. Diese Verlagerung auf die Gesundheitsversorgung für Alleinstehende würde einkommensschwächeren Haushalten die größte Entlastung bringen. Darüber hinaus schätzen wir, dass die Gewährleistung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung für alle Amerikaner im Vergleich zum Status quo jedes Jahr mehr als 68.000 Leben und 1,73 Millionen Lebensjahre retten würde.

Aber die Steuern würden steigen. Und es scheint als würden viele Amerikaner lieber mehr Geld auf diese Weise ausgeben, als mehr Steuern zu zahlen (was nebenbei bemerkt jährlich zehntausende Menschen tötet). Das sagt viel aus über den Stand der amerikanischen Demokratie und wie die Menschen sie erleben; und anders betrachtet auch über die Macht des doktrinellen Systems, das vom Wirtschaftssektor und seinen intellektuellen Lakaien geschaffen wurde. Die neoliberale Ära hat diesen pathologischen Bestandteil der nationalen Kultur verstärkt, aber dessen Wurzeln reichen noch viel tiefer und zeigen sich auf verschiedenste Weisen. Ein Thema, das zu vertiefen sich lohnt.

CJP: Obwohl es manche europäischen Länder besser schaffen als andere die Ausbreitung von COVID-19 in den Griff zu kriegen, scheinen Länder, die außerhalb der neoliberalen westlichen Welt liegen, den größten Erfolg im Umgang mit dem Virus zu haben. Nämlich Singapur, Südkorea, Russland und China. Was sagt dies über die westlichen kapitalistischen Regierungsformen aus?

NC: Es gab unterschiedliche Reaktionen auf die Ausbreitung des Virus. China selbst scheint es, zumindest bis jetzt, in den Griff bekommen zu haben. Das Gleiche gilt für die Länder in unmittelbarer Nähe zu China in denen die frühen Warnzeichen beachtet wurden. Dies schließt genauso lebhafte Demokratien wie die westlichen mit ein. Europa hat größtenteils abgewartet, aber manche europäischen Länder haben sofort reagiert. Deutschland scheint weltweit die niedrigsten Todesfälle beklagen zu müssen, dank einer hohen Kapazität im Gesundheitssystem, vieler Möglichkeiten Tests durchzuführen, sowie einer schnellen Reaktion. Das gleiche gilt auch für Norwegen. Die Reaktion von Boris Johnson in Großbritannien war beschämend. Die von Trump in den USA ebenso.

Deutschlands Fürsorge der Bevölkerung gegenüber reichte jedoch nicht über die eigenen Grenzen hinaus. Die europäische Union erwies sich als alles andere als eine Einheit. Notleidende europäische Gesellschaften konnten jedoch von Ländern jenseits des Atlantiks auf Beistand hoffen. Die kubanische Supermacht war wieder einmal bereit Hilfe zu leisten und stellte medizinisches Fachpersonal und Ausrüstung bereit. Unterdessen kürzte ihr amerikanischer Nachbar medizinische Hilfeleistungen an den Jemen, wo sie für die weltweit größte humanitäre Krise mitverantwortlich sind, und sie nutzten diese verheerende Gesundheitskrise aus, um die grausamen Sanktionen zu verschärfen und damit diesem gewählten Feind größtmögliches Leid zuzufügen. Cuba ist das älteste Opfer. Dies geht bis zu den terroristischen Kriegen und der wirtschaftlichen Unterdrückung unter Kennedy zurück. Aber Cuba hat wie durch ein Wunder überlebt.

Übrigens sollte es für die Amerikaner zutiefst verstörend sein, den Zirkus in Washington mit Angela Merkels sachlichen, wohl gewählten Worten zur Handhabung dieser Krise an die deutsche Bevölkerung vergleichen zu müssen.

Das Differenzierungsmerkmal der verschiedenen Reaktionen scheint also nicht Demokratie vs. Autokratie, sondern funktionale vs. dysfunktionale Gesellschaften zu sein – letztere werden in der trumpianischen Rhetorik auch als “shithole countries” bezeichnet, wie das, woran er unter seiner Herrschaft hart arbeitet.

CJP: Was halten Sie vom 2 Billionen Dollar Wirtschafts-Rettungsplan? Genügt dies um eine weitere mögliche große Rezension zu vermeiden und den vulnerabelsten Gruppen der amerikanischen Gesellschaft zu helfen?

NC: Der Rettungsplan ist besser als nichts. Er bietet einigen derer, die ihn dringend brauchen, nur begrenzte Hilfe und enthält einen umfangreichen Fonds, um den wirklich Schwachen zu helfen: den bedauernswerten Konzernen, die mit dem Klingelbeutel in der Hand, ihre Ayn Rand Ausgaben versteckend, beim überfürsorglichen Staat angekrochen kommen und erneut um Rettung durch die Öffentlichkeit bitten, nachdem sie die glorreichen Jahre damit verbracht haben, riesige Gewinne anzuhäufen und diese in einer Orgie von Aktienrückkäufen noch zu vergrößern. Aber kein Grund zur Sorge. Der Schmiergeld-Fond wird von Trump und seinem Finanzminister überwacht, bei denen man darauf vertrauen kann, dass sie fair und gerecht sind. Und wenn sie sich entscheiden, die Forderungen des neuen Generalinspekteurs und des Kongresses zu missachten, wer wird dann etwas dagegen unternehmen? Das Justizministerium von Barr? Amtsenthebungsverfahren?

Es hätte Möglichkeiten gegeben, die Hilfe denjenigen zukommen zu lassen, die sie brauchen, nämlich den Haushalten. Und zwar mehr als die für manche enthaltenen Almosen. Dazu gehören die arbeitenden Menschen und das riesige Prekariat, das sich irgendwie mit befristeten und irregulären Arbeitsverhältnissen behalf, aber auch andere: diejenigen, die aufgegeben haben, die hunderttausend Opfer des “Todes aus Verzweiflung” eine einzigartige amerikanische Tragödie die Obdachlosen, Gefangenen, die große Anzahl derer, die in mangelhaften Unterkünften hausen, in denen Isolation und Lagerung von Lebensmitteln nicht in Frage kommen, und viele andere.

Die Volkswirte Thomas Ferguson und Rob Johnson brachten die Sache auf den Punkt: Während die allgemeine Gesundheitsversorgung, die anderswo Standard ist, in den USA scheinbar zu viel erwartet ist, “gibt es keinen Grund, warum es eine einseitige Bürgerversicherung für Unternehmen geben sollte“. Sie nennen dann einfache Wege zur Überwindung dieser Form des unternehmerischen Raubs.

Zumindest sollte die regelmäßige Praxis der öffentlichen Rettung des Unternehmenssektors die Durchsetzung eines strikten Verbots von Aktienrückkäufen erfordern, sowie eine sinnvolle Beteiligung der Arbeitnehmer am Management und ein Ende der skandalösen protektionistischen Maßnahmen der falsch etikettierten “Freihandelsabkommen”, die den Pharmariesen enorme Profite garantieren, während die Arzneimittelpreise weit über das ansteigen, was unter rationalen Überlegungen angemessen wäre.

Das wäre das Mindeste.


Dieses Interview wurde zu Zwecken der besseren Verständlichkeit und bezügluch der Länge leicht von Truthout editiert.


Anmerkung: Dieser Bericht spiegelt nicht unbedingt die redaktionelle Haltung von acTVism Munich wieder.


Video-Vorschlag zu diesem Thema: Noam Chomsky über die Corona-Krise: “Ein kolossales Marktversagen”


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ÜBER NOAM CHOMSKY

noam-chomsky-black-and-whiteNoam Chomsky ist ein weltweit anerkannter politischer Dissident, Anarchist, Linguist, Autor und emeritierter Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT), wo er seit über einem halben Jahrhundert lehrt.

Chomsky hat mehr als 100 Bücher geschrieben, das jüngste unter dem Titel „Because We Say So“. Chomsky war währen seiner gesamten Karriere eine enorm einflussreiche akademische Persönlichkeit und wurde zwischen 1980 und 1992 öfter vom Arts and Humanities Citation Index (A&HCI) zitiert als jeder andere lebende Wissenschaftler.

Seine Arbeit hat eine Vielzahl von Bereichen beeinflusst, darunter Künstliche Intelligenz, Kognitionswissenschaft, Computerwissenschaft, Logik, Mathematik, Musiktheorie und #Analyse, Psychologie und Immunologie.


ÜBER C.J POLYCHRONIOU

C.J. Polychroniou ist ein politischer Ökonom/Politikwissenschaftler, der an Universitäten und Forschungszentren in Europa und den Vereinigten Staaten gelehrt und gearbeitet hat. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Wirtschaftsintegration Europas, Globalisierung, die politische Ökonomie der Vereinigten Staaten und die Dekonstruktion des wirtschaftspolitischen Projekts des Neoliberalismus. Er schreibt regelmäßig für Truthout und ist ein Mitglied des Truthout Public Intellectual-Projekts. Er hat mehrere Bücher veröffentlicht und seine Artikel sind in einer Vielzahl von Journalen, Magazinen, Zeitungen und Nachrichtenseiten erschienen. Viele seiner Veröffentlichungen wurden in mehrere Sprachen übersetzt, einschließlich kroatisch, französisch, griechisch, italienisch, portugiesisch, spanisch und türkisch.


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1 Antwort auf „Chomsky: Der Mangel an Beatmungsgeräten entlarvt die Grausamkeit des neoliberalen Kapitalismus“

Ich bin 1951 geboren und habe in der DDR unter anderem einiges über die höchste Form des Kapitalismus, den Imperialismus gelernt. Danach kann ich mich weder über entfesselte Geldwirtschaft, Hegemoniepläne besonders der USA, Rüstungsrekorde besonders der NATO, geistige Mobielmachung der NATO – Bevölkerungen, Betrieb von Krankenhäusern für max. Gewinn statt für effektive medizinische Versorgung,
weitreichendes Diktat der Wirtschaftsbosse über Politik und staatliche Medien etc. Ich traue diesem System heute mehr den je die Vernichtung der Menschheit zu. Alles was zum Beispiel Rohstoffe nicht in US-Dollar handeln will, was Land und Bevölkerung vor kapitalistischer Ausplünderung bewahren will, wird zumindest mit Sanktionen belegt oder gleich mit verdecktem oder offenem Krieg überzogen. Als Deutscher schäme ich mich für die Vasallenpolitik. Deutschland fühlt sich angeblich von Russland bedroht, übt mit seinen Verbündeten vor Russlands Grenze Krieg, verschweigt alle auf Vertrauen und Rüstungskontrolle von Russland ausgehenden initiativen. – Briefe an alle NATO-Länder wurden verschwiegen. Die angebotene Inspektion eines angeblich vertragsverletzenden russischen Raketentyps wurde von den USA abgelehnt. Dafür soll noch der Weltraum mit profitablen Waffen ausgestattet werden. Mit dortigen Laser-Waffen wird die Vorwarnzeit praktisch Null. – Und alle Verantwortung für Krieg oder Frieden wird zunehmend der Software übertragen. – Nun liebe Mitmenschen, ohne eine schnelle, breite Friedensbewegung (etwa wie 1968) haben wir mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr viel Zukunft.

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