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G-7 oder Obamas „G-1-plus-6“ – Ray McGovern

12. Juni 2015

G-7 oder Obamas „G-1-plus-6“ – Ray McGovern

Der G-7 Gipfel in einem Erholungsort in einer malerischen Region in Bayern dürfte zeigen, ob G-7 nicht vielmehr in „G-1-plus-6“ umbenannt werden sollte, um der Realität zu entsprechen. Die Nummer eins wäre das, was Obama nach wie vor die „einzige unverzichtbare Nation der Welt“ nennt. Die übrigen sechs wären dann die Länder, die von Russlands Präsident Vladimir Putin als Washingtons „Juniorpartner“ bezeichnet werden.

Die G-7 – Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Japan, Kanada und die USA – waren ehemals als G-8 bekannt. Das war allerdings bevor die USA Russland für das gewaltsame Nachspiel, des von den USA und der EU gesponserten Staatsstreichs in Kiew am 22. Februar 2014 verantwortlich machten und Russland im vergangenen Jahr ausluden.

Vergangenes Jahr war der Westen in Rage über das, was als „Russische Aggression“ bezeichnet wurde und US-Außenminister John Kerry dazu veranlasste, Russland vorzuwerfen, sich „wie im 19. Jahrhundert“ aufzuführen. Schließlich sind die USA und ihre Verbündeten dafür bekannt, die territoriale Integrität anderer Länder stets zu respektieren, wie auch immer die Umstände sein mögen. Na schön, vielleicht auch nicht.

Wie dem auch sei: beim Gipfel in Bayern hoffen die USA darauf, ein wenig von dieser einstigen Rage wiederaufleben zu lassen, um die Europäische Union dazu zu bringen, die Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu verlängern, obwohl sie damit der angeschlagenen Wirtschaft der EU selbst Schaden zufügen.

Die Hauptfrage ist, ob Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande den Mut aufbringen werden, sich wie Erwachsene zu verhalten. Beide können schließlich das Verhalten von Washingtons neokonservativen Politikern und ihren Werkzeugen in der Ukraine aus erster Hand bezeugen.

Werden sich die Anführer Deutschlands und Frankreichs weiterhin dem US-Diktat beugen? Oder ist es diesmal wahrscheinlicher, dass sie auf ihren eigenen Beinen stehen und dem Druck der USA und ihrer Lakaien aus Großbritannien widerstehen werden, statt Russland weiterhin mit Wirtschaftssanktionen abzustrafen.

Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande hatten persönlich die Gelegenheit, vom ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und seiner Rolle als Kunde der USA Maß zu nehmen: bei einem völlig anderen Gipfel, der am 11. und 12. Februar in Weißrussland stattfand, bei dem US-Repräsentanten ausdrücklich nicht eingeladen wurden und lediglich Poroschenko die US-Interessen vertrat. Gemeinsam mit ihm und Putin wurde dort das sogenannte „Minsk II“-Abkommen vereinbart, dessen Bestandteil ein Waffenstillstand war, der weitestgehend eingehalten wurde – bis vor kurzem.

Merkel und Hollande sind keine politischen Amateure. Sofern sie sich ihrer Geschichte bewusst sind, wissen sie, wie ein Pétain oder ein Quisling aussieht. So oder so können sie nicht übersehen haben, wie Poroschenko aussieht und wie er ständig die Befehle der Neokonservativen befolgt, welche die Politik in der Ukraine bestimmen und darauf erpicht sind, Putin zu dämonisieren und Russland auszugrenzen – all das, ohne die wirtschaftlichen und langfristigen Sicherheitsinteressen der „Juniorpartner“ wie Deutschland oder Frankreich zu berücksichtigen.

Kurz nachdem „Minsk II“ unterzeichnet worden war, führte das kompromisslose ukrainische Parlament unter der Führung des Lieblingsministers der USA, Arsenij Jazenjuk, ein Gesetz ein, das den politischen Teil der Vereinbarung außer Kraft setzte. Es wurde eine „Giftpille“ eingeführt, die von den ethnischen russischen Rebellen verlangte, sich zu ergeben, bevor die Verhandlungen fortgesetzt wurden (siehe auch Consortiumnews.com: “Ukraine’s Poison Pill for Peace Talks.”)

Bilder: G-7 und STOP TTIP-Demonstration

Foto: Karem Schemberger & Werner Rauch

Schwindender Frieden

Poroschenko unterzeichnete das Gesetz zur Freude der stellvertretenden US-Außenministerin für Europa und Eurasien, Victoria Nuland, einer Beauftragten der Neokonservativen. Sie hatte Jazenjuk vor dem Staatsstreich eigenhändig auserwählt. Sie sagte dem US-Botschafter in der Ukraine Geoffrey Pyatt, dass „Jats“ der richtige Mann sei und lehnte im selben Gespräch das damals vorsichtige Vorgehen der EU mit den Worten „Fuck the EU“ ab.

Nach wie vor ist Jazenjuk Nulands Ansprechpartner wenn es darum geht, die Ukrainekrise zu lösen – was nicht bedeutet, das Arbeitsverhältnis, das vor der Krise von Obama und Putin gepflegt wurde, wiederherzustellen. Ein Tandem, das dem neokonservativen Traum von mehr „Regime Change“ im mittleren Osten, vor allem in Syrien und Iran, im Weg stand, weil es nach diplomatischen Lösungen für die schwierigen Probleme suchte.

Nun, da viele Sanktionen der EU gegen Russland diesen Monat auslaufen, sehen die Neokonservativen und ihre Klienten in der Ukraine Bedarf, wieder auf Putin einzuprügeln – und wie auf Kommando nahmen im Vorfeld des G-7-Gipfels die Verstöße gegen den Waffenstillstand im Südosten der Ukraine zu, und die westlichen Mainstream-Nachrichten schoben, wie zu erwarten war, Putin die Schuld in die Schuhe.

Die deutschen und französischen Anführer – und natürlich auch Putin – wissen ganz genau, wem der Bruch des Waffenstillstands im Südosten der Ukraine im Vorfeld des Gipfels nutzt. Man kann davon ausgehen, dass sie die zunehmenden Kämpfe als das erkennen was sie sind: ein offensichtlicher Versuch, Russland zu isolieren und für den Bruch des Waffenstillstands verantwortlich zu machen, sowie die „Juniorpartner“ vom anhaltenden Bedarf für Wirtschaftssanktionen zu überzeugen.

Für Europäer steht beim „G-1-plus-6“-Gipfel in Bayern in wirtschaftlicher Hinsicht viel auf dem Spiel. Das Problem ist, die europäische Berichterstattung zur Ukraine ist fast so schwach wie das, was man in den US-Medien liest.

So merkwürdig es mir, der jahrzehntelang Sowjetpropaganda studiert hat, auch erscheinen mag: die Medien in den USA haben sich in letzter Zeit als ebenso wirksam erwiesen, wenn es darum geht Halbwahrheiten und –Lügen zu verbreiten wie „Pravda“ und „Izvestia“ in der Sowjetzeit.

Aufgrund meiner Berufserfahrung fällt es mir schwer, zu akzeptieren, dass Präsident Putins Darstellung dessen, was sich seit Anfang 2014 in Kiew abspielt, auf deutlich mehr Fakten basiert als das, was wir von Präsident Obama zu hören bekommen oder in der „New York Times“ lesen. Aber das tut sie.

Hier sind Ausschnitte eines Interviews, das Putin am 6. Juni mit der italienischen Zeitung „Il Corriere della Sera“ führte:

„Was die Ukrainekrise ausgelöst hat? Der ehemalige Präsident Viktor Janukowytsch hatte gesagt, dass er erst darüber nachdenken müsse, das Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der EU zu unterzeichnen, möglicherweise einige Änderungen machen und sich mit Russland, dem wichtigsten Wirtschafts- und Handelspartner der Ukraine, beraten müsse. In diesem Zusammenhang und unter diesem Vorwand brachen in Kiew Aufstände aus. Sie wurden aktiv sowohl von unseren europäischen als auch US-amerikanischen Partnern unterstütz.“

„Es folgte ein Staatsstreich – ein völlig verfassungswidriger Akt. (…) Die Frage ist: weshalb fand dieser Staatsstreich statt? Wieso mussten sie die Situation in einen Bürgerkrieg eskalieren lassen? (…) Das Ergebnis: ein Staatsstreich, ein Bürgerkrieg, hunderte Tote, eine zerstörte Wirtschaft und Sozialsphäre, ein Vierjahreskredit über 17,5 Milliarden US-Dollar, den der IWF der Ukraine versprach, und ein völliger Zusammenbruch der wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland.“

„Ich würde Ihnen und Ihren Lesern gerne eine Sache sagen: Vergangenes Jahr, am 21. Februar, unterzeichneten Präsident Janukowytsch und die ukrainische Opposition eine Vereinbarung darüber, wie es weitergehen, wie das politische Leben im Land gestaltet werden sollte und über die Notwendigkeit, frühe Wahlen abzuhalten.

„Sie hätten daran arbeiten sollen, die Vereinbarung zu implementieren, vor allem, weil drei europäische Außenminister die Vereinbarung unterzeichnet und für dessen Umsetzung gebürgt haben. Wenn sie tatsächlich nur zum Schein eingesetzt wurden, (…) hätten sie am Tage nach dem Staatsstreich sagen sollen: ,Wissen Sie, wir haben einem Staatsstreich nicht zugestimmt, also werden wir Sie nicht unterstützen; Sie sollten stattdessen Wahlen abhalten.’“

Doch anstatt die Vereinbarung vom 21. Februar 2014 einzuhalten, hatte die EU – unter starkem Druck von Nuland und der Obama-Regierung – es eilig, die ,Legitimität’ der Putsch-Regierung in Kiew anzuerkennen. Die Vereinbarung war schnell vergessen, und die neuen Behörden in der Ukraine, mit Jazenjuk als Premierminister und Rechtsextremisten in Schlüsselpositionen, gingen gegen die ethnischen Russen im Süden und Osten vor – Bürger, die Janukowytschs Basis gebildet und sich nicht am verfassungswidrigen Staatsstreich beteiligt hatten.“

Vielleicht wäre es jetzt an der Zeit, dass Merkel und Hollande sich daran erinnern, dass der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der französischen Außenminister Laurent Fabius sowie der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski die Februar-Vereinbarung vermittelt und als offizielle Zeugen unterzeichnet hatten. Ein Gesandter des russischen Präsidenten Putin, Vladimir Lukin, war ebenfalls involviert, unterzeichnete jedoch nicht als Zeuge.

Vielleicht gibt es in der hochrangigen Diplomatie kein schlechtes Gewissen. Dennoch: Das was nur einen Tag vor dem Staatsstreich in Kiew geschehen ist, ist dokumentiert. Wäre es zuviel von Steinmeier und Fabius verlangt, ihre Vorgesetzten an dieses dreiste Beispiel für gescheiterte Diplomatie zu erinnern. Bevor Merkel und Hollande sich ein weiters Mal dem Diktat aus Washington beugen – und den Neokonservativen, die anschließend in einem bayerischen Biergarten die Eskalation des 2. Kalten Krieges feiern können.


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ÜBER Ray McGovern

rayaloneconyers-150x150Ray McGovern arbeitet für Tell the World, einem Verlagsarm der ökumenischen Chruch of the Saviour in der Innenstadt von Washington. In seinen 27 Jahren als CIA-Analyst, war er in den Sechzigern Chef der Bereichs für sowjetischen Außenpolitik sowie in den Siebzigern stellvertretender Geheimdienstoffizier für den Bereich Westeuropa. McGovern dient heute der Steering Group of Veteran Intelligence Professional for Sanity (VIPS), einer Vereinigung ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter, die sich gegen den Missbrauch von Geheimdiensten aussprechen.


Notiz: Dieser Bericht spiegelt nicht unbedingt die redaktionelle Haltung von acTVism Munich wider.


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