Deutschlands Rolle in der europäischen Union mit Heiner Flassbeck – Teil III
Am 17. November 2015 nahm Heiner Flassbeck an einer Veranstaltung von acTVism Munich in der Muffathalle München teil. Thema war „Deutschlands Rolle in der Europäischen Union und in der internationalen Politik: Nachkriegsgeschichte, Gegenwart und mögliche Zukunft“.
Im dritten Teil unseres Interviews mit Heiner Flassbeck beantwortet der Ökonom Fragen aus dem Publikum.
Diese und weitere Themen werden im folgenden Video beantwortet:
Auszüge aus dem Video:
Heiner Flassbeck über die Hauptursachen der Eurokrise, die fehlende Investitionstätigkeit:
“Die größte Sorge ist die Schwäche in der realen Investitionstätigkeit. Wir haben eine globale, und in Deutschland und Europa besonders ausgeprägte Schwäche der Investitionstätigkeit.”
„Wir brauchen diese Investitionen, um neue Arbeitsplätze zu schaffen für diejenigen, die am Arbeitsmarkt keine Chance haben derzeit. Und das sind in Europa über 20 Millionen und das ist einfach eine schlichte Katastrophe. Das können wir nicht so weiter hinnehmen.“
Heiner Flassbeck über politische Fehlentscheidungen:
„Die Unternehmenssteuern in Deutschland müssen wieder so stark erhöht werden wie sie damals gesenkt worden sind von Rot-Grün Anfang der 2000er Jahre. Die sind nämlich halbiert worden. Zu den Gewinnen, die sie sowieso im Export gemacht haben, hat man ihnen auch noch die Steuern halbiert, das muss man sich mal vorstellen. Das ist unglaublich absurd.“
„Und was ist bei den Investitionen heraus gekommen? Nichts. Deutsche Unternehmer sind jetzt auch Sparer. Die wissen nicht wohin mit dem Geld, die tragen es zur Bank. Die haben Bankguthaben, anstatt dass sie sich verschulden und investieren. Das ist eine grandiose Fehlentwicklung, und die muss man dadurch korrigieren, dass man die Steuern wieder erhöht.“
„Das Problem ist natürlich, dass wir die Gewerkschaften insgesamt so geschwächt haben. Es gab ja nicht nur Lohndruck, sondern über Agenda 2010 und Hartz IV sind die Gewerkschaften ja im Kern getroffen worden. Und sie sind in der Tat heute nicht mehr kampffähig. Viele Gewerkschaften, die auch gerne wollten, [sind] einfach nicht in der Lage, einen Streit durchzuziehen, der dann wirklich etwas fundamental ändert.“
Heiner Flassbeck über Lösungswege aus der Krise:
„Es kann wieder nur die Politik korrigieren, klar. Wer soll es sonst korrigieren. Wir können alle auf die Straße gehen und versuchen, es zu korrigieren, ist auch gut. Aber es muss am Ende durch die Politik wieder korrigiert werden. Ich bin vielleicht naiv, aber ich glaube immer noch daran: Wenn wir den Menschen erklären, was da passiert ist, und wenn sie durchschauen, wie sie in die Irre geführt worden sind, dann kriegen wir auch am Ende Bewegung genug in die Politik – zusammen mit den äußeren Zwängen, die noch dazukommen müssen – dass wir vielleicht eine Änderung erzielen. Wenn sie mich fragen, ob das realistisch ist, dann würde ich auch sagen, vielleicht nicht realistisch, aber dann gibt es eine Katastrophe, weil dann wird es uns sozusagen von außen aufgezwungen, und dann wird es ganz schrecklich.“
Heiner Flassbeck studierte Volkswirtschaft in Saarbrücken von 1971 bis 1975. An der Freien Universität Berlin wurde er 1987 mit dem Thema „Preise, Zins und Wechselkurs“ promoviert. Seit 2005 ist er Honorarprofessor an der Universität Hamburg. Er arbeitete von 1976 bis 1980 im Stab des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Wiesbaden. Es folgten sechs Jahre in verschiedenen Referaten des Bundesministeriums für Wirtschaft in Bonn, bevor er in das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin eintrat, wo er von 1988 bis 1998 Leiter der Abteilung Konjunktur war. Im Jahre 1998 wurde Heiner Flassbeck zum beamteten Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen ernannt, schied aber nach dem Rücktritt des Ministers im Frühjahr 1999 wieder aus. Im Jahr 2000 ging er zum Sekretariat der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) in Genf, wo er von August 2003 bis Dezember 2012 die Abteilung für Globalisierung und Entwicklungsstrategien leitete. Als Chef-Volkswirt war er unter anderem verantwortlich für den jährlichen Trade and Development Report und die Mitarbeit des UNCTAD-Sekretariats in der G20. Er ist seit 2005 Autor von vier Büchern und Ko-Autor von drei weiteren und hat zahlreiche Aufsätze zur Wirtschaftspolitik und Presseartikel verfasst. Im Januar 2013 hat er flassbeck-economics (flassbeck-economics.de) gegründet, eine Institution, die sich der Aufklärung in wirtschaftlichen Fragen und der wirtschaftspolitischen Beratung widmet.
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acTVism Munich plant weitere Teile des Events „A Conversation on Privacy“ mit Edward Snowden, Glenn Greenwald und Noam Chomsky zu übersetzen. acTVism Munich glaubt, dass die Privatsphäre von zentraler Wichtigkeit für die Demokratie ist und eine Herstellung einer breiten und globalen Informationsdichte von größter Bedeutung für die Zukunft der Freiheit ist. Außerdem konnte acTVism Munich ehrenamtliche Helfer in New York mobilisieren, um ein Event mit Yanis Varoufakis und Noam Chomsky aufzunehmen, welches von der „New York Public Library“ (NYPL) organisiert wurde. Dieser Event fand am 26. April 2016 statt, besprochen wurden unter anderem der Stand der Demokratie in Europa sowie die drohenden ökonomischen und sozialen Probleme für Europa.
Daneben wird acTVism Munich Ende August Zugang zur Bundespressekonferenz in Berlin bekommen. Dies wird uns die Möglichkeit geben, kritische Fragen direkt an die deutsche Regierung zu stellen und dadurch Bewusstsein für eine ganze Bandbreite an Themen herzustellen, die in den deutschen Massenmedien üblicherweise nicht behandelt werden. Wir werden versuchen, alle Fragen und Antworten ins Deutsche zu übersetzen und zu synchronisieren.
Außerdem: Der NSA-Whistleblower Edward Snowden bestätigte seine Teilnahme via Video-Konferenz für das kommende acTVism Munich Event „Freedom and Democracy: Global Issues Connecting the Dots” im Muffatwerk in München. Für diesen Event wollen wir führende Experten zusammenbringen, um die Verbindungen zwischen unterschiedlichen Problemen zu diskutieren, und zu erörtern, wie das System funktioniert. Wir glauben, dass wir nur zu brauchbaren Lösungen kommen können, wenn die Öffentlichkeit über die prinzipiellen und strukturellen Fehler des Systems informiert wird. Weitere Informationen folgen bald! Bedauerlicherweise hat acTVism Munich nur sehr begrenzte Ressourcen und benötigt Ihre Hilfe, um diese Projekte zeitnah zu realisieren. Anfallende Kosten für Anreise, Unterbringung, Verpflegung, Produktion und Übersetzung erschweren die Verwirklichung. Als unabhängige gemeinnützige Medienorganisation mit einer strengen Haltung gegenüber Werbung und Unterstützung durch Regierungen und Konzerne sind wir auf Ihre Hilfe angewiesen. Unterstützen Sie uns. Klicken Sie hier.
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