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Visiting the Cuban Ambassador – “Solidarity has always been very important for us”

5. December 2018
Due to limited financial & technical resources as a non-profit and volunteer-based organization, we were unable to translate the following content into English.


Zu Besuch beim kubanischen Botschafter – “Für uns war Solidarität immer sehr wichtig”


In diesem Interview sprechen wir mit dem kubanischen Botschafter in Deutschland über Versuche der USA Einfluss auf die Politik des Landes zu nehmen, das kubanische Gesellschaftsmodell, den Prozess der Verfassungsänderung sowie die Zukunft des Landes.


Von Flo Osrainik, acTVism Munich


Kuba ist das Land der Revolution. Seitdem die Widerstandsbewegung des 26. Juli zu Beginn des Jahres 1959 erfolgreich in Havanna einzog und Diktator Batista zur Flucht zwang, hat sich die Insel zu einer beständigen Bastion gegen den Imperialismus US-amerikanischer Prägung entwickelt. Während man im politischen Westen meist nur über Kuba redet – im November 2018 bezeichnete der Nationale Sicherheitsberater der US-Administration, John Bolton, Kuba zusammen mit Nicaragua und Venezuela als eine »Troika der Tyrannei«, dabei kündigte er an, den Druck auf die Regierungen dieser Länder »maximal« zu erhöhen – haben wir mit Ramón Ignacio Ripoll Díaz, dem kubanischen Botschafter in Berlin, über Versuche der USA Einfluss auf die Politik des Landes zu nehmen, die US-Blockade, das kubanische Modell und den Prozess der Verfassungsänderung gesprochen.

Flo Osrainik: Herr Ripoll, Sie sind Botschafter Kubas, einem jener Länder, die sich Märkten und Konzernen nicht hingeben und in den westlichen Medien dafür entweder selten oder eher schlecht präsentiert werden. Wie nehmen Sie die Darstellung Ihres Landes war?

Ramon Ripoll: Leider vermitteln die Medien in vielen Fällen keine guten Eindrücke und Informationen von Kuba. Diese Frage ist aber auch von unserem Verhältnis zu den Vereinigten Staaten, die einen großen Einfluss und eine große Kontrolle über die Medien im Allgemeinen und über Informationen in anderen Ländern, auch hier in Deutschland, haben, bestimmt.

Mit unseren begrenzten Mitteln versuchen wir, natürlich ein richtiges Bild von Kuba wiederzugeben. Für ein kleines Land wie Kuba ist es aber nicht so einfach, dieses schlechte Bild zu korrigieren und die Wahrheit zu vermittelten.

F.O.: Dann erzählen Sie doch bitte etwas vom kubanischen Weg. Ist das Modell des Sozialismus denn nicht schon verbrannt, global ein Auslaufmodell?

R.R.: Nein, das denken wir nicht. Nach einem langen Kampf für Unabhängigkeit und Souveränität haben wir mit dem Sieg unserer Revolution am 01. Januar 1959 unser Ziel erreicht. Von diesem Moment an hatten wir zum ersten Mal in der kubanischen Geschichte die Möglichkeit, die komplette Unabhängigkeit und Souveränität über unser Land zu erlangen. Das Resultat war, dass die Kubaner die Entscheidung getroffen haben, einen sozialistischen Weg zu gehen. Das hatte aber nichts mit der Situation in Europa oder dem Ergebnis des Zweiten Weltkriegs zu tun, es war die Entwicklung Kubas.

Unserer Meinung nach bedeutet der Sozialismus in Kuba heute auch Unabhängigkeit und Souveränität. Aber wir leiden, als Konsequenz unserer Entscheidung, leider schon seit 60 Jahren unter den Auswirkungen der Blockade durch die Vereinigten Staaten. Mit dieser Politik werden viele Schwierigkeiten in unserem täglichen Leben provoziert. Ein großer Teil unserer Bevölkerung hat bisher immer nur unter den Bedingungen der Blockade gelebt.

Der Sozialismus bedeutet in Kuba aber auch freien Zugang zum Bildungswesen, einen freien Zugang zum Gesundheitswesen und außerdem haben alle Kubaner die Möglichkeit, sich mit ihren ganzen Kapazitäten zu entwickeln. Wir denken, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir versuchen auch, alle Bedingungen zu schaffen, um unsere Ziele weiterhin verfolgen zu können.

F.O.: Unter US-Präsident Donald Trump haben die Spannungen mit den USA ja wieder zugenommen. Über soziale Medien und über anti-kubanische Nachrichtenkanäle, das ist gar kein Geheimnis, versucht man Einfluss auf das Geschehen in Kuba zu nehmen. Übrigens unabhängig davon, wer gerade Präsident in den USA ist. Wie geht Ihre Regierung damit um?

R.R.: Ja. Leider stecken wir in einer schwierigen Situation mit der Regierung der Vereinigten Staaten, die ja lange die Kontrolle über Kuba hatte. Die Situation hat sich mit dem Sieg unserer Revolution dann aber verändert.

Wir haben immer die Bereitschaft gehabt, eine normale Beziehung mit den Vereinigten Staaten zu entwickeln, solange man dabei eine respektvolle Haltung gegenüber Kuba einnimmt. Leider gab es diese Situation, besser gesagt diese Haltung gegenüber unserem Land aber nicht. John F. Kennedy, eine respektierte Persönlichkeit hier in Deutschland, hat im April 1961 zum Beispiel eine Brigade nach Kuba geschickt, um die Revolution zu beseitigen. Auf Deutsch ist bei dieser Aktion von der Invasion in der Schweinebucht die Rede. Trotz dieser Angriffe gab es von unserer Seite aber immer wieder die Bereitschaft, ein normales Verhältnis mit den USA zu erreichen.

Nur in den letzten zwei Jahren der Obama-Administration war es möglich, einen normalen Dialog zu führen. Die Ziele sind allerdings immer noch die Gleichen. Die Vereinigten Staaten versuchen nur mit anderen Methoden, die Ergebnisse unserer Revolution zu zerstören. Und jetzt gibt es mit Trump eine neue Herausforderung, mit der wir leben müssen. Dabei finden die Vereinigten Staaten immer wieder andere Motive. Wenn ein Motiv nicht mehr nützlich ist, dann suchen sie einfach ein neues Motiv. Als die Sowjetunion zum Beispiel noch existierte, da hieß es immer, Kuba wäre ein Satellit der Sowjetunion. Also sind wir heute ein Satellit, der seit fast 30 Jahren ohne einen Planeten lebt. Ein Satellit braucht aber einen Planeten. Es gab eben immer eine neue Rhetorik gegen uns.

Momentan ist die Trump-Administration entscheidend, die in den letzten Wochen und Monaten ja auch wieder eine neue Rhetorik benutzt hat. Vor ein paar Monaten hieß es etwa, dass Kuba die Mutter von allem Schlechten sei und der Sicherheitsberater von Trump sagte sogar, dass Kuba zur Troika der Tyrannei gehören würde. Die Tyrannei der Troika soll aus Kuba, Kuba ist natürlich in allen schwarzen Listen vertreten, Venezuela und Nicaragua bestehen.

Unter diesen Umständen ist es für uns dann auch noch erschwerend eine US-Botschaft in Havanna zu haben, die den Kubanern, die in die Vereinigten Staaten reisen möchten, um ihre Familienangehörigen dort zu besuchen, seit zwei Jahren praktisch keine Dienstleistung mehr anbietet. Und das Personal unseres Konsulats in Washington wurde 2017 wegen dubiöser Vorwürfe zu angeblichen Schallattacken auf US-Personal in Havanna zurück nach Kuba geschickt. Dafür hat zwar niemand Beweise vorgelegt, aber man nutzt das als Vorwand, um Angst in den Vereinigten Staaten zu schüren, damit niemand mehr nach Kuba reisen möchte. Das ist eine schlechte Situation für uns.

Es wird zwar immer von Menschenrechten geredet, aber auch sehr stark gegen die Rechte der Kubaner, die einfach nur eine normale Beziehung mit den Menschen und Kubanern in den Vereinigten Staaten wollen, gearbeitet.

F.O.: Nun sendet Kuba ja keine Soldaten mehr in die Welt, um etwa die Apartheid in Südafrika zu bekämpfen, sondern Ärzte. Davon hört und liest man eher selten. Erzählen Sie doch bitte etwas davon.

Für uns war die Solidarität immer sehr wichtig. Wir haben Solidarität bekommen und versuchen unsere Solidarität auch anderen Ländern zu geben. Wir sind kein reiches Land, wir haben nicht viel Geld, aber wir haben die Bereitschaft im Rahmen unsere begrenzten Möglichkeiten mit anderen Ländern zu teilen.

Im Jahr 1963, also vier Jahre nach dem Triumph der Revolution, zu einer Zeit, als die Hälfte der kubanischen Ärzte in die Vereinigten Staaten gegangen sind, haben wir die erste kubanische Gesundheitsbrigade in ein anderes Land gesendet. Seitdem haben wir eine permanente Präsenz von Gesundheitsbrigaden in verschiedenen Ländern der Welt, die meisten in Lateinamerika und in Afrika. Unsere Spezialisten, unser gesamtes Gesundheitspersonal arbeitet in diesen Ländern übrigens nicht in den Hauptstädten, sondern in Regionen, in die die Ärzte vor Ort normalerweise nicht gehen.

Wir haben in vielen afrikanischen Ländern Personal, bilden aber auch Ärzte in Kuba aus. Bei uns gibt es zum Beispiel die »Escuela Latinoamericana de Medicina«, eine Hochschule mit über zehntausend Studenten aus meist ärmeren Ländern, die wir dort zu Ärzten ausbilden. Die Studenten haben ein Stipendium von unserer Regierung erhalten und kommen, seit mehreren Jahren schon, aus Lateinamerika, aus Afrika, aus Asien und auch aus den Vereinigten Staaten. Wir geben also auch jungen Leuten aus den Vereinigten Staaten, die aus finanziellen Gründen keine Möglichkeit haben zu Hause in den USA ein Medizinstudium zu absolvieren, bei uns in Kuba die Gelegenheit dazu. Wir versuchen aber nicht nur im Gesundheitswesen, sondern zum Beispiel auch im Bildungsbereich einen Beitrag zu leisten.

In Deutschland wird ja auch über eine bessere Unterstützung für afrikanische Länder gesprochen. Da könnte man vielleicht Zusammenarbeiten. Wir haben zwar das Gesundheitspersonal, um diesen Ländern zu helfen, aber es fehlt uns an finanziellen Ressourcen. Es gibt übrigens Erfahrungen in der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Kuba, das war glaube ich im Jahr 2000. Damals haben wir für eine bestimmte Zeit gemeinsam in Honduras und in Niger kooperiert. Wir wären jedenfalls bereit, gemeinsam in diese Richtung zu gehen.

F.O.: In Kuba wurde in den letzten Monaten ja auch eine Verfassungsänderung auf den Weg gebracht und in der Bevölkerung diskutiert. Wie läuft dieser Prozess ab, wie kann man sich das vorstellen und was wird sich in naher Zukunft in Kuba ändern?

R.R.: Unser Ziel ist es, eine neue Verfassung für Kuba zu bekommen. Die jetzige Verfassung wurde durch ein Referendum unserer Bevölkerung im Jahr 1976 genehmigt. Seitdem sind über 40 Jahre vergangen. In dieser Zeit hat sich natürlich viel getan. Um unseren Entwicklungsprozess auch weiterhin zu gehen, ist es daher notwendig, Veränderungen in unserer Verfassung vorzunehmen.

Auf Vorschlag wurden viele wichtige Elemente der alten Verfassung in die neue Verfassung übernommen. Unsere Nationalversammlung hat den Vorschlag für die neue Verfassung im Juli dieses Jahres bereits genehmigt und auch die Entscheidung getroffen, dass die neue Verfassung von der ganzen Bevölkerung diskutiert werden soll.

In Kuba hatten alle Kubaner die Möglichkeit, ihre Meinungen zu äußern und Vorschläge zu machen. Auch die Kubaner, die in Deutschland leben und arbeiten, konnten an diesem Prozess teilnehmen. Wir haben dazu zwei Versammlungen, eine in der ehemaligen Hauptstadt Bonn und die andere hier in Berlin abgehalten. Insgesamt wurden von uns so rund 100 Vorschläge eingebracht.

Der Prozess der Verfassungsänderung lief in Kuba noch bis zum 15. November, dabei hat sich die Kommission, die das ganze Projekt vorbereitet hat, mit allen Meinungen und Vorschlägen auseinandergesetzt, um noch mal eine komplette Revision zu machen. Im Dezember müsste die Nationalversammlung den überarbeiteten Vorschlag dann auch genehmigen. Am Ende sollte es ein verbessertes Resultat geben, da dann die Meinungen von über sieben Millionen Menschen berücksichtigt wurden.

Die Kubaner hatten übrigens auch über eine spezielle Internetseite die Möglichkeit, ihre Meinungen einzubringen und Vorschläge zu machen. Wenn die Nationalversammlung im Dezember zustimmt, dann wird voraussichtlich im Februar 2019 ein Referendum organisiert, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, dem bis dahin überarbeiteten Vorschlag zuzustimmen oder ihn eben abzulehnen. Wenn der Vorschlag zur neuen Verfassung von der Bevölkerung genehmigt wird, so dürfte die neue Verfassung voraussichtlich im April 2019 in Kraft treten.

F.O.: Wie wird es mit dem kubanischen Modell denn in Zukunft weitergehen? Kann es sich entwickeln und vielleicht sogar als soziales Vorbild für andere Länder in der Welt dienen oder wird es vom Kapitalismus, vom Neoliberalismus und seinen Akteuren doch noch langsam auf Linie gebracht?

R.R.: Wir müssen weiterhin versuchen in die gleiche Richtung zu arbeiten. Wir hatten in Kuba schon einmal ein kapitalistisches System. Dieses System hat die sozialen Probleme des Landes nicht gelöst. Wir hatten keine Souveränität und keine Unabhängigkeit gegenüber den Vereinigten Staaten. Unter den heutigen Bedingungen bedeutet Sozialismus für uns Gleichheit, Unabhängigkeit und Souveränität.

Wir sind interessiert und haben die Bereitschaft mit den anderen lateinamerikanischen und karibischen Staaten gemeinsam einen Integrationsprozess zu gehen, aber wir befinden uns damit leider in einer Gegenposition zu den Ländern Nordamerikas.

Die Überarbeitung unserer Verfassung ist ein Teil dieser neuen Entwicklung, weil wir unabhängig von den Auswirkungen der Blockade der Vereinigten Staaten, wir wissen ja nicht, wie lange wir unter diesen Umständen noch leben werden, in der Lage sein müssen, bessere Lebensbedingungen für unsere Bevölkerung anzubieten. Deshalb ist es wichtig, verschiedene Faktoren neu zu kombinieren, aber immer mit dem Ziel, weiterhin unseren Weg zu gehen. Dafür ist eben eine neue Verfassung notwendig.

Auf dem letzten Parteitag der Kommunistischen Partei von Kuba wurde etwa ein Modell darüber verabschiedet, wie die weitere soziale und wirtschaftliche Entwicklung in der Republik Kuba gestaltet werden könnte. Infolgedessen sollte in naher Zukunft auch ein Entwicklungsprogramm bis 2030 von der Nationalversammlung genehmigt werden. Nicht zuletzt als Teil dieses Prozesses scheint uns eine neue Verfassung, um bestimmte Probleme in wirtschaftlichen Bereichen lösen zu können, notwendig zu sein.

In Kuba existieren Genossenschaften jetzt zum Beispiel nur in der Landwirtschaft. Unsere Intention ist es aber, dass es Genossenschaften künftig in den unterschiedlichsten Bereichen geben soll. Es wird in Zukunft wohl auch möglich sein, kleine Privatunternehmen gründen zu können, was momentan ja noch nicht der Fall ist.

Ein weiterer Vorschlag für die neue Verfassung ist beispielsweise auch die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe. Das ist übrigens einer jener Punkte, die in Kuba gegenwärtig für Diskussionen sorgen. Die neue Verfassung ist aber, unabhängig von den Auswirkungen der Blockade auf unsere Bevölkerung, ein wichtiger Teil eines Prozesses, um eine allgemeine Verbesserung der Situation in unserem Land zu erreichen.

F.O.: Was ist aus Ihrer Sicht denn das größte Problem für die Weiterentwicklung des Gesellschaftsmodells der Republik Kuba?

R.R.: Die Blockade der Vereinigten Staaten. Ohne jede Diskussion.

F.O.: Herr Botschafter, vielen Dank für das Gespräch und Ihre Zeit.


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ÜBER RAMÓN IGNACIO RIPOLL DÍAZ

Ramón Ignacio Ripoll Díaz studierte Ökonomie an der Universität in Havanna und begann seine politische Laufbahn im Staatskomitee für wirtschaftliche Zusammenarbeit – dort war er später unter anderem für die Subsahara, Nordafrika und den Mittleren Osten zuständig. Er war kubanischer Wirtschaftsattaché in der DDR, Wirtschaftsrat in Namibia und der Bundesrepublik Deutschland, Vizeminister für Außenhandel und Ausländische Investitionen und Direktor der Öffentlichkeitsarbeit der kubanischen Handelskammer, bevor er 2017 als Botschafter nach Berlin kam.


ÜBER FLO OSRAINIK

Flo Osrainik ist ein freier Publizist & Journalist. Seine Themen sind Gesellschaft & Globales. Er hat unter anderem Beiträge für RT Deutsch, junge Welt, Telepolis, amerika 21, das Weblog NEOPresse sowie weitere Print- und Onlinemedien verfasst. 2016 ist er aus dem Bayerischen Journalisten-Verband ausgetreten, da man es dort nicht so mit den eigenen Richtlinien hielt. Heute ist er Mitglied bei Freischreiber und im Vorstand von acTVism. Mehr über ihn und seine Arbeit unter: floosrainik.net



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